Dietmar Bonnen stellte mit einem Konzert im Loft seine neue CD »Die Wolke Vergessens« vor.

Dietmar Bonnen ist nicht nur ein künstlerisches Multitalent, das vom Klavierspielen über das Singen und Komponieren bis hin zum Malen, Zeichnen und Fotografieren die ganze Palette des kreativen Ausdrucks entfaltet. Vielmehr arbeitet er als Musiker auch ständig mit Künstlern anderer Sparten zusammen. Jüngstes Beispiel war ein multimediales Konzertereignis, das er anlässlich seiner neusten CD-Veröffentlichung »Die Wolke des Vergessens« mit den Musikern Lothar Burghaus (Bassklarinette), Hans-Martin Müller (Flöte), Olaf Reddemann (Altsaxophon) und Tom Gerke (Schlagzeug), der Malerin Claudia Betzin und dem Fotografen Peter Hölscher im Loft zur Aufführung brachte. Schon bei der Einspielung der CD im letzten Sommer am gleichen Ort hatte Bonnen die Idee verfolgt, akustische und visuelle Erfahrungen zusammenzuführen. Das heißt: während die Musiker sich auf ihren Instrumenten nach einem präzisen Konzept in den offenen Raum der Improvisation hineinspielten, hatte Peter Hölscher in der fast dunklen Umgebung die Klänge fotografisch erfasst, während die bildende Künstlerin Sabine Büttner malerisch-intuitiv auf die Musik reagierte.

Aus Büttners Bildern wurde das Cover zur CD, die wie alle Veröffentlichungen Bonnens auf dessen eigenem Label OBST grundsätzlich mehr sind als bloß musikalische Werke. Stets gehören für den Kölner Bonnen Texte und Bilder zur Musik dazu, ergeben eine Einheit, ein sich wechselseitiges befruchtendes Anregungspotential. Für den gleitenden Übergang von akustischen und visuellen Elementen stehen dabei die bildnerischen Gestaltungen von Peter Hölscher, mit dem Bonnen seit langen freundschaftlich zusammenarbeitet. Dessen abstrakte fotografische Farb-Licht-Verläufe bilden nicht nur das bildnerische Zentrum des Booklets der neuen CD, sondern zugleich die fünf Partituren für das Konzert, bei dem Pianist Bonnen und seine Mitmusiker die Kompositionen der CD noch einmal neu improvisatorisch-variierend spielten. Für das Publikum war das ein äußerst spannendes Unternehmen. Bezaubernde, fast romantische Musik im Klangfeld zwischen Neuer Musik und Jazz und ein akademisches Konzept zum Wechselspiel von Klang und Zeitlichkeit, akustischer und visueller Erfahrung spielten nahtlos ineinander.

Genau drei Minuten waren die „kurzen“ Stücke „lang“, bei denen die Musiker konzentriert und fast selbstvergessen den Farbverläufen der fotografisch-grafischen Partitur in ihrem Spiel nachgingen. Danach wurden die Fotostreifen einfach umgedreht und nach der so veränderten grafischen Notation noch einmal eine Variation von fünf mal drei Minuten gespielt. Nichts war zuvor abgesprochen, während die Musiker dem grafischen Lauf der Partitur folgten, die ihnen den Weg wies wie die Landschaft den Wolken ihren Weg durch den Himmel. Gleitend und wie der Zug einer Wolke nur den Hauch einer Erinnerung hinterlässt, schwebten die Töne in den Raum: singend, tänzelnd, plätschernd, suchend, findend, für kurze Momente verstörend und vor allem besänftigend und meditativ. Mit Klängen, die aus der Stille in die Stille hineinführten sorgte gerade die strenge Struktur der 3-Minuten-Vorgabe für den selbstverständlichen Übergang von musikalischer, psychologischer und philosophischer Erfahrung. Einmal vergingen die drei Minuten wie im Flug, beim nächsten Mal wurde darin das Gewicht einer unendlichen Dauer spürbar.

Das Konzert wie Dietmar Bonnens künstlerisches Konzept überhaupt sprengen seit langem die bestehenden Kategorien. Nur genaues Hinhören und Hinschauen führen uns demzufolge zu den unentdeckten und unerklärlichen Zonen unserer Existenz. Und um diese zu verstehen müssen alle Künste und menschlichen Sinne einander wechselseitig auf die Sprünge helfen. Genau so wie sich Malerin Claudia Betzin während des Konzertes von den Klängen zu abstrakt-intuitiven Pastellzeichnungen inspirieren ließ. Dietmar Bonnen meint dazu, diese Zeichnungen könnten ihn wiederum zu neuen Kompositionen beflügeln. In jedem Fall will er das mit der »Wolke des Vergessens« begonnene Konzept mit weiteren Musikern und bildenden Künstlern fortführen.

Jürgen Kisters, Kölner Stadtanzeiger

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